Von einem, der auszog, der Musik zu begegnen

Es wird gelacht, gesungen und getanzt – der „Dorfkrug“ ist in Feierlaune. Doch während Musiker und Tänzer gerade richtig in Fahrt kommen, verkriecht sich Anhedon in eine Ecke. Denn Anhedon hat ein Problem: Er ist unfähig, Musik zu empfinden. Alle Klänge lassen ihn kalt. Wonne, Schmerz, Gänsehaut – nichts von dem ist Anhedon jemals beim Klang einer Melodie widerfahren. Sein Vater zeigt sich besorgt. Sollte es seinem Sohn etwa an Menschlichkeit mangeln? Anhedon will das ihm bisher Verwehrte nicht länger missen. Sein größter Wunsch ist es, Musik zu lernen. Mit 50 Talern, seiner stummen Begleiterin Muta und einem dunklen Verfolger im Nacken zieht er los, um musikalischen Genuss zu erlernen. Seine Heldenreise führt ihn zu Sängern, Göttern, Erzählern, Gelehrten und zwei Inuit-Damen, die nicht müde werden, mit ihm das Rätsel der Musik zu ergründen – und ihm neue Rätsel aufzugeben.
 
Kaum eine andere Wahrnehmung hat eine so außerordentliche Wirkung auf unser Innenleben wie Musik. Sie begleitet uns seit Kindertagen, kann uns mit Freudenschauern überfluten und einen Stimmungswechsel hervorrufen. Gleichzeitig scheiden sich an ihr die Geister. Nicht jede Musikform und nicht jeder Musiktitel erreicht uns in derselben Weise. Welche Titel uns berühren und nachhaltig begleiten, hängt im besonderen Maße von unserer persönlichen Lebensgeschichte und unserem ganz persönlichen Gefühlsleben ab.
 
Grimms Märchen „Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“ wird im selbstenwickelten Episodenstück des Theaterensembles zum Ausgangspunkt einer szenischen Auseinandersetzung mit Musik. Entstanden ist eine heitere und eigenwillige Liebeserklärung an die Welt der Klänge – Musik wird zum Sinnbild für Selbstentfaltung, Lebensenergie und der unermüdlichen Sehnsucht des Menschen nach musikalischer und zwischenmenschlicher Resonanz.

 

Regie: Ruth Topper

 

 Fotos: Oliver Kiesewetter